Wie Pinienzapfen im Wald

Einführung einer sanften Mobilität

Eine Architektur, die Bäume leben lässt, formale Einflüsse aus dem hohen Norden und ein nachhaltiges Baumaterial, das ästhetisch wie recyclingtechnisch punktet: Mit ihrer neuen Fahrradstation, entworfen von LSB Architetti Associati, treibt es die Gemeinde Corato in der Provinz Bari (IT) ganz schön bunt. Dafür erhielt das Projekt den zweiten Platz des Premio Nazionale Go Slow 2021, der ganz im Zeichen der Einführung einer sanften Mobilität steht.

Genius Loci

„Im besten Fall entsteht Architektur aus der Geschichte einer Stadt oder Umgebung heraus“, berichtet der Turiner Architekt Giuseppe Dell’Aquila überzeugt. Es ist ein Schluss, der ihn in den vergangenen 25 Jahren immer wieder bei diversen Infrastruktur-, Nachhaltigkeits- und Landschaftsgestaltungsprojekten verfolgt hat. Zu diesen Projekten zählt auch die Nuova Linea ferroviaria Torino–Lione – eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, bei der ein ca. 57 km langer Tunnel unter den Berg gebaut wird. Über 15 Jahre hinweg sei bei seiner Auseinandersetzung mit linearer Infrastruktur etwas entstanden, das auch für die von ihm geplante Fahrradstation in Corato essenziell werden sollte: ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. In Dell’Aquilas Worten: „Ich plädiere seit jeher für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen und bin ein Verfechter von Architektur, die sich auf eine bewusste Weise in ihre natürliche Umgebung einfügt.“ Sein Credo ist eindeutig: Bauen mit Natur anstatt Bauen, wo Natur ist oder einst war.

„Convivenza“ – „Koexistenz“

Was Dell’Aquila hier beschreibt verdeutlicht er auch mit dem Begriff „convivenza“ – „Koexistenz“: „Ein Architekt trägt die Verantwortung dafür, dass ein neues Gebäude mit dem Bestand koexistiert. Dazu muss er die nötige Balance finden, die er nur erreichen kann, wenn er den Genius Loci, den Geist eines Ortes einfängt.“ Je weiter man in die Vergangenheit zurückgehe, desto mehr Kontrast könne auch entstehen. Davon zeuge zum Beispiel der größte Park von Paris, der Parc de la Villette, mit seinen 26 knallig roten, von Bernard Tschumi entworfenen Bauten.

Jedem Mantra das passende Material

Mit dem Anspruch, ein „sehr leichtes, nachhaltiges Objekt“ zu schaffen, entschieden sich LSB Architetti Associati für eine Unterkonstruktion aus Brettsperrholz (X-Lam) und rundeten das Designkonzept mit einer schuppigen Fassadenbekleidung aus PREFA Rauten ab. „Da das Material beliebig oft recycelt werden kann, stand dieser Aspekt bei unserer Wahl eindeutig im Vordergrund. Der Begriff ‚Recycling‘ ist in unserem Büro fast schon zu einem Mantra geworden. Für uns gab es auch ästhetische Beweggründe: Wir wollten, dass die Oberflächenstruktur der Fassade an jene eines Pinienzapfens erinnert, und das war mit der Raute möglich. Die Station besteht übrigens zu 90% aus PREFA“, verrät der Architekt.

Architekt Giuseppe Dell’Aquila

Eine Stadt gestaltet sich neu

Die Radstation in Corato wird in Zukunft von Pendlern genutzt werden, die im 40 km süd-östlich gelegenen Bari arbeiten oder studieren, aber auch von jenen, die es zur Erholung in die Natur verschlägt: Denn sie ist mit den Radwegen des Nationalparks Alta Murgia verbunden, den man von hier aus in gut zweieinhalb Stunden erreicht.

Mit dem Anspruch, eine neue Ära der nachhaltigen Mobilität in Apulien einzuläuten, zeigt ausgerechnet ein Zweckbau, wie urbane Neugestaltung geht. Und Giuseppe Dell’Aquila steht natürlich voll und ganz dahinter: „Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir mit der Architektursprache dieses Projekts ein Stück Stadtidentität erzeugen konnten.“

Velostazione di Corato - Details

Land:

Italien

Objekt, Ort:

Fahrradstation, Corato (BA)

Kategorie:

Neubau

Architektur:

LSB Architetti Associati

Verarbeiter:

L.A. Lattoneria SRL

Material:

Dachraute 29 × 29

Farbe:

Hellgrau, Mossgrün

weitere Infos:

  • Interview: Anneliese Heinisch & Mara Probst
  • Text: Anneliese Heinisch
  • Fotos & Zeichnungen: © Giuseppe Dell’Aquila