Bei einem Zweckbau wie einer Busstation hätte man auch einfach pragmatisch bleiben und einen unauffälligen Transit-Ort entwerfen können. Doch SANGRAD + AVP architects stehen für eine andere Art von Alltagsarchitektur. Ihr wohl komponiertes Design des neuen Bushubs in Slavonski Brod bringt dem kroatischen Büro viel internationale Aufmerksamkeit ein. Im Gespräch mit Architekt Vedran Pedišić erfahren wir mehr über eine Architektur, die sich mit ihrem ungewöhnlichen Aluminiumdach gar nicht so einfach in traditionelle Vorstellungen eines Busbahnhofs einordnen lässt.
Innovativ, interdisziplinär: einzigartig
Was macht wirklich gute Architektur aus? Geht es nach SANGRAD + AVP architects aus Zagreb, veranlasst sie einen dazu, kurz innezuhalten, näher hinzuschauen und sich zu fragen: „Warum sieht sie so aus, wie sie aussieht? Warum hat man sie so gebaut?“ Es ist ein durch Gebäude hervorgerufenes „Stehenbleiben-und-Reflektieren“, das die Architekten mit all ihren Bauwerken erreichen möchten. Dazu bringe man reichlich Erfahrung in der Realisierung unterschiedlicher Wohn- und Bildungsbauten, Bürogebäude, Sportcenter, Hotels und Fabriksgebäude mit.
Vedran Pedišić, einer der Gründer und leitenden Architekten des Büros, profitiert von dieser kollektiven Erfahrung, die sie gelehrt habe, stets innovativ und interdisziplinär zu arbeiten: „Wir binden gerne andere Experten so früh wie möglich ein, zum Beispiel, wenn es um Landschaftsdesign geht. Welchen Input haben sie zu den Pflanzen und Bäumen, die wir verwenden möchten?“
Ein Grundstück wird belebt
Mit diesem Mindset gehen die Architekten auch an ihre vielen Projekte in Slavonski Brod südöstlich von Zagreb heran. Die Stadt an der Save befindet sich in unmittelbarer Nähe zur bosnisch-kroatischen Grenze und ist ein wichtiger internationaler Knotenpunkt am Balkan, über den man Nachbarländer wie Ungarn, Serbien oder Bosnien und Herzegowina erreicht. Neben dem Kajak Kanu Klub und einem Hotel bauten Vedran und Team hier auch einen der meist frequentierten Bushöfe in Kroatien. Ein Alleinstellungsmerkmal des Baus ist sein stark in die Länge gezogenes, leicht nach oben geneigtes PREFALZ Dach.
PR: „Weshalb sieht das Bauwerk so aus, wie es aussieht?“
VP: „Will man seine Form verstehen, muss man sich näher ansehen, wo es steht. Wir mussten hier auf einem zentral gelegenen, aber komplizierten Grundstück in unmittelbarer Nähe des städtischen Bahnhofs direkt neben der Stadtautobahn bauen. Da wir hier aufgrund diverser Umstände das existierende, stark verfallene Gebäude gegenüber nicht renovieren durften, bauten wir eine neue Station auf einem sehr schmal geschnittenen, straßenseitigen Teil des Grundstücks, auf dem nur ein paar Bäume standen. Das bedingte primär die längliche Form.“
Leichtgewicht mit Präsenz
Zur Straße hin geschlossen, zur Busparkplatz-Seite hin offen erstreckt sich das Bauwerk mit einer Länge von 23 Metern am Rande des Grundstücks. Man sieht sofort, dass die Architekten hier auf wenige wertige Materialien setzten: mit einem weiß-grauen Betonfundament, einem mit Glas und rostfarbenem Stahl rhythmisierten Fassadenbild und dem prefaweißen Aluminiumdach.
Trotz seiner Größe und Auskragung scheint es eine schwebende Leichtigkeit innezuhaben – was in sich bemerkenswert ist, da der Bau aus statischen und seismischen Gründen über 15 m lange Pfeiler tief in der Erde verankert ist. Mit seiner Dimension überschattet das Dach die drei jeweils 4,3 m breiten, als Kuben ausgeformten Pavillons unter ihm, welche die Funktionsräume beherbergen: Ein Busfahrkarten-Schalter, eine Café-Bar und ein Kioskstand bieten Reisenden das Nötigste, bevor es weitergeht.
PR: „Warum war es Ihnen wichtig, das Dach mit Prefalz zu gestalten?“
VP: „Als Architekt sollte man eigentlich immer mit einem beständigen Material wie Aluminium arbeiten wollen. Denn Auftraggeber und Nutzer sind am glücklichsten, wenn es keine Probleme mit dem Gebäude gibt. In diesem Fall war es nicht nur baulich notwendig, eine leichte Eindeckung für das Dach zu wählen, sondern auch unser expliziter Designwunsch. Mit dem Leichtmetall konnten wir die Dachfläche ganz nach unseren Vorstellungen gestalten. Aus der Vogelperspektive betrachtet, sieht es fast aus wie eine fünfte Fassade. Für uns hatte das Dach immer diese Wertigkeit.“
Die Natur in der Architektur
Der Busbahnhof, so Vedran, stehe gleich mehrfach im Dialog mit der Natur: zum einen mit dem auf der anderen Seite der Straße gelegenen Park, der über vertikale Einschnitte in die Kubatur des Bauwerks durch es hindurch sichtbar ist; zum anderen mit den Bäumen, die auf dem Grundstück bereits vor dem Baustart vorhanden waren. Das Architektenteam überlegte lange, wie die Bäume am besten in den Entwurf einfließen könnten. Nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit der zur Verfügung stehenden Baufläche entschieden sie sich dazu, sie über unterschiedlich große, rechteckige Öffnungen im Dach durch es hindurch wachsen zu lassen. „Das verkomplizierte unser Vorhaben um einiges, war uns aber ein großes Anliegen.“
Bei dieser Busstation möchte man bleiben
Architekt Vedran Pedišić blickt in die Zukunft und sieht: ein Hotel mit botanischem Garten im Atrium, einen Kindergarten, sieben Spezialbauten an der Adria und ein großes Industrieprojekt. Es sind jene Projekte, an denen er gerade mit seinem eingeschweißten achtköpfigen Team arbeitet. Sofern es ihm seine Zeit erlaubt, wird er auch diese Bauten nach ihrer Fertigstellung besichtigen. „Das gehört zu unserem Job dazu“, wirft Vedran ein. Als er und seine Kollegen die Busstation vor kurzem besuchten, kamen sie ins Staunen: „Reisende verweilten auf Bänken, teils sitzend, teils liegend, hörten Musik, unterhielten sich, spielten auf ihrem Handy. Es war eine Atmosphäre wie in einem Park. Das hat uns bestätigt, dass wir einen Ort geschaffen haben, an dem man sich auch wirklich gerne aufhält.“ Es scheint, als seien die Intentionen der Architekten aufgegangen.
Busstation Slavonski Brod - details
Land: |
Kroatien |
Objekt, Ort: |
Busstation, Slavonski Brod |
Kategorie: |
Neubau |
Architektur: |
Vedran Pedišić, Ida Katić, Martina Petrač von SANGRAD + AVP |
Verarbeiter: |
MK Montlim d.o.o. |
PREFA Objektberater: |
Filip Dubrovski |
Material: |
|
Farbe: |
P.10 Prefaweiß |
Pläne: |
SANGRAD + AVP |
Portrait: |
© Sandro Lendler |
Copyright: |
Branko Drakulic und Erick Velasco Farrera |